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Religionswissenschaftliches Seminar

Material religion, Verflechtungsgeschichten…und viel mehr: ein Sinergia-Projekt am RWS

Der Schweizerische Nationalfonds wird ein von Prof. Christoph Uehlinger koordiniertes, interdiszplinäres Forschungsprojekt über vier Jahre (Herbst 2019-Herbst 2023) mit rund 2.7 Mio. CHF fördern. Das Projekt wurde im Rahmen des Programms SINERGIA eingereicht und basiert auf einer Kooperation der Universitäten Zürich (Leading House), Bern (Prof. Silvia Schroer, Prof. Stefan Münger) und Tel Aviv (Dr. Ido Koch, Institute of Archaeology).

Stamp seals from the Southern Levant: a multi-faceted prism for studying entangled histories in an interdisciplinary perspective

Kernstück des Vorhabens ist die Entwicklung einer digitalen Datenbank, die alle in der Südlevante (heute: Israel, Palästina, Jordanien) gefundenen Stempelsiegel aus vorhellenistischer Zeit (vor 300 v.u.Z.) inventarisieren wird und künftig von Forschenden aus aller Welt genutzt und ergänzt werden kann. Damit soll ein vor Jahrzehnten von Othmar Keel (Universität Fribourg) initiiertes Vorhaben fertiggestellt, zugleich aber im Sinne der Digital Humanities auf eine neue technische Grundlage gestellt werden.

Forschende der drei Universitäten werden das Material aus unterschiedlichen Perspektiven (von der mit modernsten naturwissenschaftlichen Methoden arbeitenden Archäologie bis zur Wirtschafts-, Sozial-, Kultur- und Religionsgeschichte) untersuchen. Exemplarische Studien sollen neue Akzente im Bereich der Religionsgeschichte, der Bibelwissenschaft und der Geschlechterforschung setzen. Eine Metastudie reflektiert, wie gesellschaftliche und technologische Veränderungen der letzten fünf Jahrzehnte den wissenschaftlichen Umgang mit dem Material tiefgreifend verändert haben.

Inwiefern ist das Projekt für die Religionswissenschaft relevant?

Zahlreiche kultur- und religionsgeschichtliche Anstösse sind in der Antike von der südlichen Levante ausgegangen, die seit jeher eine Drehscheibe für Kontakte und Austauschbeziehungen zwischen Ägypten und Mesopotamien, dem westasiatischen und dem Mittelmeerraum war. Politische, wirtschaftliche und kulturelle Verflechtungen lassen sich hier besonders gut untersuchen.

Stempelsiegel sind eine in der Region über Jahrtausende verbreitete Objektgattung, leicht transportierbar, eng mit Personen, Ämtern oder Institutionen verbunden. Das Material und seine Bearbeitung, die Stempelform und die Gravur der Siegelfläche geben Auskunft darüber, ob ein Objekt lokal gefertigt oder importiert wurde, welche Funktion es in Wirtschaft, Gesellschaft und Religion hatte, welche Bilder die Imagination der antiken Benutzer*innen geprägt haben. Oft haben Siegel zugleich als Amulette gedient.

Nachdem die Religionswissenschaft lange Zeit sehr textfixiert war, hat sie sich zunehmend breiteren kulturwissenschaftlichen Fragestellungen und Theorien geöffnet. Dazu gehören Zugänge, die mit den Stichworten "Material Religion" und "Visual Religion" konzeptualisiert worden sind. Sie analysieren Religion im Kontext materieller Kultur und objektvermittelter Praktiken. Das hier geschilderte Projekt gehört in diesen Forschungszusammenhang.