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Religionswissenschaftliches Seminar

Religiöse Toleranz heute - und gestern

Tagung an der Universität Zürich 25.-26. November 2010

Organisation

Sigi Feigel-Gastprofessur für Jüdische Studien
Institut für Hermeneutik und Religionsphilosophie

Thema

Im 18. Jahrhundert als Kampfbegriff aufklärerischen Schrifttums gegen religiöse Verfolgungen entwickelt, wird neuerdings die Idee der Toleranz bis in die Feuilletons der Tageszeitungen hinein wieder auffällig häufig und kontrovers diskutiert. Oft wird dabei unterstellt, dass die Religion überhaupt, insbesondere aber monotheistische Religionsformen (Judentum, Christentum, Islam) mit ›Toleranz‹ inkompatibel wären. Nicht nur der ›eifersüchtige‹ Gott des Alten Testaments, auch der ›wahre Gott‹ des Neuen, ja, selbst die (mit dem Monotheismus assoziierte) begriffliche Unterscheidung von ›wahr‹ und ›falsch‹ werden als Ursachen für Intoleranz verurteilt. Garantiert aber die Verteidigung einer pluralistischen Vielfalt von Göttern das friedliche Zusammenleben tatsächlich besser? Und ist dieser Vorschlag einer ›Rückkehr zum Polytheismus‹ wirklich im Sinne einer echten Alternative zu den gemeinschaftlich verfassten und kulturell gewachsenen, abendländischen Formen monotheistischer Religionsausübung gemeint – wenn aber nicht, wie dann sonst? Wie aber schliesslich verhält sich der eben beschriebene Toleranz-Diskurs zu den gegenwärtig schier omnipräsenten Diskussionen darüber, wie innerhalb eines liberalen Rechtstaates die Grenzen der Toleranz gegenüber bestimmten kulturell-religiösen Erscheinungsformen zu bestimmen sind? In einem gewissem Gegenzug zu solchen Debatten möchte die vorgeschlagene Tagung den Blick auf einige Verteidiger des Monotheismus lenken, welche schon während des 18. Jahrhunderts einen philosophisch viel differenzierteren Toleranzbegriff erarbeitet haben und damit, weit ins 19. und 20. Jahrhundert hineinwirkend, eine bedeutende, heute aber oft verkannte Rolle in den religiösen und politischen Toleranz-Debatten gespielt haben. Mag Kant selber in seinem Aufsatz »Was ist Aufklärung?« den Begriff ›Toleranz‹ mit Hochmut verknüpft haben, so tat er dies doch gewiss nicht, um zur religiösen Intoleranz aufzurufen, sondern lediglich um auf die Grenzen der Toleranz hinzuweisen. Hatten Mendelssohn und Lessing die einflussreichste Verteidigung des Toleranz-Begriffs geboten, so waren sie doch keineswegs dazu gekommen, ihn in einen Gegensatz zum Monotheismus zu stellen. Von ihnen und anderen ihrer Zeitgenossen gibt es noch heute viel zu lernen. Als Beispiel möge hier der Hinweis des Heidelberger Ägyptologen Jan Assmann auf die Hebräischen Mysterien des Aufklärers und Kantianers der ersten Stunde Karl Leonhard Reinhold (1751-1825) genügen: Schon lange vor Sigmund Freud behauptete Reinhold in dieser Schrift, dass Mose seinen philosophischen Gottesbegriff aus den ägyptischen Mysterien übernommen habe. Reinhold zufolge hätte Mose schon ›spinozistische‹, d.h. pantheistische Überzeugungen entwickelt, und diese wären sowohl mit älteren, ägyptischen Glaubenssätzen wie auch mit der deutschen idealistischen Doktrin des ›All-Einen‹ vereinbar. Diesen ersten Schwerpunkt einer Diskussion, welche das ganze 19. Jahrhundert, bis Freud – aber auch z.B. Hermann Cohen – durchzieht, und bis in die Gegenwart nachwirkt, gilt es, hier gründlich aufzunehmen. Und zwar soll dies durchgängig so geschehen, dass konsequent danach gefragt wird, worin das Potential dieser Diskussion für diejenigen Diskurse um ›Religion und Toleranz‹ bestehen könnte, wie sie gegenwärtig sowohl in den Wissenschaften wie auch in einer breiteren Öffentlichkeit geführt werden.

Weiterführende Informationen

Artikel zur Tagung: "Liebe deine Nächsten"

von Andreas Hunziker