Geistheilung und Geistiges Heilen in Japan und der Schweiz

Projektleitung

Prof. Dr. Dorothea Lüddeckens, Universität Zürich

Prof. Dr. Monika Schrimpf, Universität Tübingen

Projektmitarbeitende

Eri Itō, Hokkaidō Universität in Sapporo, Japan

Yurina Hayashi, Hokkaidō Universität in Sapporo, Japan

Tomoko Schlüter, Hokkaidō Universität in Sapporo, Japan

Selina Bloch, Universität Zürich, Schweiz

Anne-Christine Halter, Universität Zürich, Schweiz

Leon Wiggenhauser, Universität Tübingen, Deutschland

Projektbeschreibung

Geistiges Heilen, in der Schweiz als «Geistheilung» oder «spirituelles Heilen», in Japan z.B. als «supirichuaru hīringu» スピリチュアル・ヒーリング bezeichnet, zählt zu den Heilverfahren der sogenannten «Alternativen Medizin». Sowohl das Angebot als auch die Nachfrage scheint in den vergangenen 20 Jahren zugenommen zu haben.

Die Relevanz, die Geistiges Heilen für viele Patient:innen besitzt, wird inzwischen auch von naturwissenschaftlich orientierten Mediziner:innen gesehen. So verweist z.b. die Seite des Bundesverbandes der Deutschen Internisten und Internistinnen darauf, dass «Geistiges Heilen [.] prinzipiell bei jeder Erkrankung durchgeführt werden [kann], […] andere notwendige Heilverfahren» aber keinesfalls ersetzen solle.1

Die Bandbreite der Konzepte von Gesundheit, Krankheit und Heilung, die von Geistheiler:innen vertreten werden, ist gross. Sie arbeiten mit «geistigen Kräften», sehen und erleben ihre Fähigkeiten in ihrer besonderen Beziehung zur Geistigen Welt, zu Energien und/oder dem Universum. Dabei handelt es sich um Fähigkeiten und Erkenntnisse, die das naturwissenschaftliche Weltbild ergänzen oder auch eine Alternative dazu darstellen.

Geistiges Heilen wird in Japan und der Schweiz besonders häufig von Frauen praktiziert, in beiden Ländern findet dies in aller Regel ausserhalb der staatlichen Gesundheitssysteme statt, hat eine lange Tradition in den verschiedenen religiösen Traditionen der beiden Länder und ist zugleich heute auch stark von neueren religiösen und weltanschaulichen Bewegungen und Einflüssen geprägt.

Ziel des Projektes ist es die Perspektiven, Deutungen und Erfahrungen von Heiler:innen im Hinblick auf die derzeitige gesellschaftliche und medizinische Covid-19 bedingte Situation besser zu verstehen. Ein zweiter Fokus liegt auf gender-spezifischen Aspekten.

Hierfür werden seit 2021 in beiden Ländern Leitfadeninterviews mit Heiler:innen durchgeführt, transkribiert und analysiert.

Erste Zwischenergebnisse zeigen bereits sowohl die Diversität innerhalb der Länder und kontextspezifische Differenzen zwischen Japan und der Schweiz als auch überschneidende Narrative, Deutungsmuster und Erfahrungsberichte. Ein kontextbedingter Unterschied liegt z.B. in der sehr unterschiedlichen Diffusion des Gender-Diskurses in der Schweizer und der Japanischen Gesellschaft.

Als Gemeinsamkeit zeichnet sich ab, dass in beiden Ländern Vertreter:innen der Szene nicht nur im Hinblick auf ihre Konzepte und Praktiken sehr divers sind, sondern auch im Hinblick auf Ihre Einstellungen gegenüber Covid-19. Während die einen im Rahmen ihres alternativmedizinischen Weltbildes z.B. der Impfung mit Skepsis begegnen, wird sie von anderen befürwortet. Im Schweizer Kontext wird dabei besonders häufig auf das Recht der individuellen Entscheidung verwiesen, in beiden Ländern vertrauen diejenigen Heiler:innen, welche sich nicht impfen lassen möchten, vor allem auch auf ihre eigene Resilienz.

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1https://www.internisten-im-netz.de/fachgebiete/komplementaermedizin/naturheilkundliche-alternative-verfahren/geistiges-heilen.html, 17.1.2022.